Infarm: Vertical-Farming-Start-up wird zum Unicorn 

Neues Jahr, neues Unicorn – und unser Februar-Unicorn ist besonders frisch in 2022 gestartet: Die Rede ist vom Berliner Jungunternehmen Infarm. Das Start-up hat ein Geschäftsmodell im Bereich Indoor und Urban Farming ins Leben gerufen. Was genau dahinter steckt, wer Geschmack am Unternehmen gefunden hat und wie die Zukunftspläne aussehen, erfahrt ihr in unserem neuen Blogbeitrag. 

Vertical Farming – Kräuteranbau im Supermarkt  

Das Berliner Lebensmittel-Start-up Infarm baut Kräuter und Gemüse in sogenannten Instore-Farmen an. Damit bringt Infarm den Gemüse- und Kräuteranbau direkt in Supermärkte und andere Verkaufseinrichtungen. Infarm setzt auf das Prinzip des Vertical Farming – und die Kombination aus Vertical Farming und Instore bringt immense Vorteile mit sich: Die Anlagen benötigen 99 % weniger Platz und 95 % weniger Wasser als beim konventionellen Anbau.  

Außerdem arbeiten die Vertical-Farming-Anlagen unabhängig von Wetterbedingungen. Intelligente Computersysteme unterstützen die Pflanzen: Wenn die Cloud meldet, dass die Pflanzen erntereif sind, gehen sie in den Verkauf. Geerntet werden aktuell pflegeleichte Kräuter wie Basilikum und Rucola. Für die Zukunft plant Infarm auch mit „schwierigeren“ Obst- und Gemüsesorten, zum Beispiel Erdbeeren und Kirschtomaten. 

Regionale Kräuter, internationales Wachstum 

In Deutschland zählen Edeka, Aldi Süd, Coop und Kaufland zu den Kunden von Infarm. In Frankreich ist das 2013 gegründete Start-up bei Intermarché, in Luxemburg bei Auchan und in Großbritannien bei Marks & Spencer gelistet. Insgesamt kooperiert Infarm mit 30 führenden Lebensmittelhändlern aus elf Ländern in Europa und Nordamerika. Nach der erfolgreichen vergangenen Investmentrunde lässt vermutlich auch die Expansion in den Nahen Osten nicht lange auf sich warten. 

Derzeit gibt es rund 1.400 Instore-Farmen bei großen Lebensmittelhändlern und 17 große Indoor-Gewächsfarmen, aus denen Infarm Supermärkte auf möglichst kurzen Wegen mit frischem Gemüse und Kräutern beliefert. Bis 2030 will Infarm sogar 100 solcher Großanlagen in Betrieb haben.  

Wie es um die konventionelle Landwirtschaft steht 

Prognosen zufolge müssen weltweit im Jahr 2050 rund 9,7 Milliarden Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden. Das Bevölkerungswachstum und der Klimawandel sind die zwei größten Bedrohungen der Ernährungssicherheit. Zusätzlich zum steigenden Bedarf verknappen sich die landwirtschaftlichen Produktionsflächen, etwa durch Flächenumwandlungen und eine alternative Nutzung für die Energieproduktion. 

Um Ernährungssicherheit zu gewährleisten, ist ein Umdenken in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion notwendig. Im Fokus steht dabei eine clevere und effiziente Nutzung der vorhandenen Flächen.  

Agritech: aufstrebende Branche oder Nischenmarkt? 

Allen Herausforderungen und Entwicklungen zum Trotz ist der Agritech-Sektor bei den Venture Capital Investitionen bislang noch immer ein Nischenthema. Europäische Agritech-Start-ups nahmen im gesamten Jahr 2021 insgesamt 726 Millionen US-Dollar an VC-Investitionen ein. Im Vergleich: Die Gesundheitstechnologie wurde im selben Jahr mit rund 15,5 Milliarden US-Dollar gefördert.  

Erste Erfolge aus der Agritech-Branche wecken jedoch die Aufmerksamkeit der Investoren. Zu den Pionieren gehört unter anderem das Vertical-Farming-Start-up Infarm. Die Berliner Firma ist zwar das erste Unicorn der Branche, dennoch mit ihren Innovationen nicht allein. Erfolgreicher Konkurrent im Agritech-Bereich ist das Insektenzucht-Start-up InnovaFeed, das 2021 eine 140 Millionen Euro schwere Serie C abschließen konnte.  

Infarm: aussichtsreiches Geschäftsmodell trotz hoher Anfangsinvests 

Die Vorteile des Indoor-Farmings sind groß: Beim Züchten von Obst und Gemüse lässt sich enorm viel Wasser und Nutzfläche sparen. Experten zufolge wird auch der Düngereinsatz drastisch reduziert; nicht zuletzt kommt es zu deutlich weniger CO2-Ausstoß aufgrund kürzerer Transportwege.  

Kritiker kontern mit einem hohen Energieverbrauch der Vertical-Farming-Anlagen und hohen Anfangsinvestitionen. Ein Blick in die Zahlen von Infarm verrät: Die Invests scheinen tatsächlich sehr hoch zu sein: Die letzten veröffentlichten Zahlen aus 2019 zeigen, dass Infarm knapp zwei Millionen Euro umgesetzt hat; die Verluste lagen mit 24 Millionen Euro deutlich höher. Dennoch ist das Geschäftsmodell zukunftsfähig, da es große Herausforderungen unseres Planeten angeht.  

Ein erfolgreiches Start-up ist selten allein 

Bei diesen positiven Aussichten wundert es uns nicht, dass Infarm Konkurrenz hat. Ein Wettbewerber ist zum Beispiel die französische Aktiengesellschaft Ÿnsekt. Das Unternehmen hat vier vertikale 4.0-Farmen. Die größte Vertikalfarm des Unternehmens steht im französischen Amies und produziert rund 200.000 Tonnen Insektenzutaten (Futtermittel) pro Jahr. Das Unternehmen plant auch Lebensmittel für Menschen.  

Die größte Vertikalfarm Europas steht 20 Kilometer westlich von Kopenhagen und soll pro Tag bis zu drei Tonnen Lebensmittel produzieren. Insgesamt sollen in der Anlage von Nordic Harvest bis zu 20 verschiedene Pflanzenarten angebaut werden.

Bislang wachsen dort unter anderem Minze, Basilikum, Rucola und junger Spinat. Ein weiterer Wettbewerber ist das Schweizer Start-up Yasai. Es ist ein Spin-Off der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich und bietet Vertical Farming as a Service.   

Die Technologie macht den Unterschied 

Vapiano-Gründer Mark Korzilius hat 2015 den Indoor-Farming-Anbieter „&Ever“ (anfänglicher Name „Farmers Cut“) gegründet. Anfang 2021 hat der börsennotierte US-Wettbewerber Kalera die Mehrheit an dem Münchner Start-up für 130 Millionen Euro übernommen. 

Die Branche der Konkurrenten mag dieselbe sein, die Technologien zwischen Infarm und &Ever sind jedoch verschieden. Während Infarm seine Setzlinge in einer Flüssigkeit wachsen lässt, setzt &Ever auf eine Membran, auf der die Kräuter ihre Wurzeln ausbilden.  

Infarm: vom Wohnwagen-Start-up zum Unicorn 

Mit einer Idee und etwas Eigenkapital im Gepäck startete Infarm 2013 in die Revolution der Landwirtschaft. Mit kleineren Investitionsrunden in den Jahren 2016, 2017 und 2018 konnte das Start-up sein Geschäftsmodell konkretisieren, Prozesse professionalisieren und letztendlich einen größeren und internationaleren Investorenkreis erreichen. 

Im Februar 2018 machte Infarm den ersten großen Schritt in Richtung größere Bekanntheit und mehr Wachstum: Die Risikokapitalgesellschaft Balderton beteiligte sich mit 25 Millionen US-Dollar an dem Start-up für Indoor-Kräuter und -Gemüse. 

Mit frischem Kapital und einem Investor im Rücken war Infarm nicht mehr zu stoppen. Auch bei weiteren Investoren sprach sich das Konzept der Gründer herum. In den Jahren 2019 bis 2021 glänzte Infarm mit jährlichen Investments zwischen 100 und 200 Milliarden US-Dollar – unter anderem von Kapitalgesellschaften wie Atomico, Lightrock und Qatar Investment Authority. 

Das bisherige Highlight legte Infarm Ende 2021 hin: Die Series D mit einer Summe von 200 Millionen US-Dollar schwemmte nicht nur eine Menge frisches Kapital in das Unternehmen; die Runde machte Infarm auch zum Unicorn.  

Mit den neuen finanziellen Mitteln möchte Infarm den Ausbau des bestehenden Vertical-Farming-Netzes in den Vereinigten Staaten, Kanada, Japan und Europa vorantreiben sowie neue Märkte im asiatisch-pazifischen Raum und im Nahen Osten erschließen. 

That's all? Hier liest du, was ein Unicorn eigentlich ist. In anderen Blogbeiträgen berichten wir von weiteren Unicorns, z.B. von Masterworks.io, Sorare und Gelato. 

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